Nicht mit uns!
Lingen. Mit großer Sorge beobachten Landwirte die geplanten Gesetzesinitiativen. Sollten Sie umgesetzt werden, bedeuten Sie einen großen Umbruch für den Berufsstand und die Weise, wie Landwirte noch arbeiten dürfen. Mehr Augenmaß und eine Abschätzung der praktischen Folgen fordern daher Vertreter des Landvolkes Hannover und der VEL. Mit diesen Anliegen wandte sich Mitte September Lambert Hurink an Landwirschaftsministerin Julia Klöckner, die in Lingen zu Gast war. Er übergab ihr einen Brief, in dem auf die negativen Folgen für die gesamte Region hingewiesen wird.
Den Inhalt des Briefes stellen wir Ihnen hier zur Verfügung:
Sehr verehrte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner,
wir als Vereinigung des Emsländischen Landvolkes e. V. (VEL) vertreten ca. 8.000 Mitglieder in den Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim. Der jetzt von Ihnen mit gestaltete Agrarpakt ist aus unserer Sicht einfach nicht zu begreifen und zu akzeptieren.
Volker Hahn, Vorsitzender des Landvolk-Bezirksverbandes Hannover, hat zu Recht in einem offenen Brief als Kernaussage formuliert:
„Wir verstehen euch/die Politik nicht mehr!“
Seine Ausführungen unterstützen wir als VEL im vollen Umfang!
Es wird von der Politik und Gesellschaft gefordert, dass wir das Tierwohl mehren und Emissionen mindern sollen. Dies ist auch durchaus der Wunsch von vielen Landwirten in unserem Verbandsgebiet. Jedoch wird durch eine nicht abgestimmte Gesetzgebung im Bereich des Baugesetzbuches und der TA Luft sowie der Umweltgesetzgebung erreicht, dass die tierhaltenden Betriebe sich nicht auf neue Entwicklungen im Bereich der Tierhaltung einstellen können, weil sie einfach keine Baugenehmigung erhalten!
Die Konsequenz ist derzeit deutlich zu spüren. Die Ställe werden woanders in Europa – teilweise mit EU-Subventionen wie in Polen - gebaut und verfügen über deutlich schlechtere Standards im Bereich Tierwohl und Emissionen. Ist dies wirklich Wille Ihrer Politik? Die Politik und Gesellschaft fordern immer bessere Haltungsbedingungen für unsere Tiere, aber lässt dem Billigwettbewerb freien Lauf.
Wir haben als VEL eigens ein Gutachten erstellen lassen, um die rechtlichen Möglichkeiten für die Politik und Gesetzgebung aufzuzeigen, damit auch hier in Deutschland die tierhaltenden Betriebe sich positiv aufstellen können in den Bereichen Tierschutz und Tierwohl. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf. Das Gutachten liegt Ihrem Hause vor. Gerne stehen wir in dieser Angelegenheit für weitere Gespräche zur Verfügung!
Sie wollen das Grundwasser schützen, die Bienen und das Klima retten und gleichzeitig den Untergang der bäuerlichen Landwirtschaft verhindern. All das wollen wir auch, aber mit den jetzt vorgestellten Ansätzen ist dies nicht möglich und stellt die Existenzen unserer landwirtschaftlichen Familienbetriebe in Frage.
Wir haben verstanden, dass eine intakte Natur unverzichtbar ist und wir unseren Anteil dazu beitragen müssen. Das wollen wir auch und sind bereit auf allen erforderlichen Ebenen daran mitzuwirken.
Wir unterstützen den Vertragsnaturschutz und gestalten ihn in Zusammenarbeit mit den Landkreisen und den Naturschutzstiftungen mit. Wir beteiligen uns an freiwilligen Blühstreifenaktionen und kooperieren mit den örtlichen Naturschutzverbänden und den Kreisjägerschaften. Wir würden uns freuen, wenn die Politik wahrnehmen würde, dass durch Landwirte überall im ganzen Land ganz viele Blühflächen und Ruheflächen für die Artenvielfalt angelegt werden!
In unzähligen Gebietskooperationen sind unsere Mitglieder beim Grundwasserschutz in den Trinkwassergewinnungsgebieten beteiligt. Gesundes Trinkwasser geht uns alle an und wir wollen eine Verbesserung der Messwerte erreichen. Nicht nur in den Trinkwassergebieten, auch im gesamten ländlichen Raum. Wir verzichten mit freiwilligen Vereinbarungen in sensiblen Bereichen schon lange auf einen Teil der Düngung. Unsere damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile werden uns entsprechend ausgeglichen. Was wird aus unseren Kooperationen, wenn gesetzliche Auflagen deren Inhalte ad absurdum führen?
In unserer viehdichten Region sind in den letzten Jahren etliche Güllebehälter und Lagerplatten gebaut worden, um die Wirtschaftsdünger bedarfsgerecht und effizient zu den angebauten Kulturen einsetzen zu können. Dies ist mit erheblichen Investitionen für unsere landwirtschaftlichen Familienbetriebe verbunden.
Wenn dann gleichzeitig unsere Mitglieder in den Medien die Informationen erhalten, dass riesige Mengen Abwässer in maroden Kanälen versickern und bei stärkeren Regenfällen eins zu eins zum Teil ungeklärt in die Flüsse laufen, dann versteht das kein Landwirt!
Sie planen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten zu verbieten und es gibt keine Folgenabschätzung für diese Maßnahme. Hier fehlen einfach der gesunde Menschenverstand und die Praxiserfahrung seitens der Politik. Es muss doch nach wie vor möglich sein, dass innerhalb von Schutzgebieten bei fachlicher Begründung Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden können.
Die Landwirtschaft möchte aktiv und positiv begleitend Maßnahmen umsetzen, um die Ziele des Klimaschutzes zu erreichen. Wir können mehr Humus im Boden aufbauen, um CO2 zu binden, wassersparende Bodenbewirtschaftungsmaß-nahmen durchführen, um Wind –und Bodenerosionen zu verhindern: Dazu gehört auch die ganzjährige Bodenbedeckung. Aber dies funktioniert nur, wenn uns die nötigen Werkzeuge dazu zur Verfügung stehen. Ein zentrales Element ist hierbei auch der Einsatz von Glyphosat. Hier lässt es sich aus unserer Sicht fachlich nicht begründen ein Verbot auszusprechen.
Aktuell sind bei uns in Niedersachsen großflächig rote Gebiete ausgewiesen worden und es wird in der Öffentlichkeit vermittelt, dass insbesondere dort die Landwirte zu viel gedüngt haben. Zukünftig soll hier zu den Kulturen weniger Dünger eingesetzt werden dürfen, als die Pflanzen tatsächlich brauchen.
Damit wird eine Zweiklassenlandwirtschaft gebildet und die vorhandenen landwirtschaftlichen Familienbetriebe in diesen Gebieten werden über kurz oder lang nicht überleben können. Grundlage dabei bilden unter anderen theoretische Algorithmen, die nicht im vollen Umfang die tatsächlichen Gegebenheiten abbilden.
Die Landwirte in unserem Verbandsgebiet sind bereit, vieles für die Umwelt zu tun, aber auch sie müssen Geld verdienen, um eine wirtschaftliche Existenz zu haben. Dies ist in unserer marktwirtschaftlichen Ausrichtung in Deutschland und Europa auch so gewollt! Die Ausweisung der roten Gebiete widerspricht diesem Prinzip vollständig.
Wir wissen, dass wir in den letzten Jahrzehnten einen stetigen Strukturwandel in der Landwirtschaft hatten und der prozentuale Anteil der Landwirtschaft damit verbunden heute nur noch einen marginalen Anteil einnimmt. Hier im Emsland und der Grafschaft Bentheim ist jedoch die Landwirtschaft mit ihrem vor- und nachgelagerten Bereich immer noch der wichtigste Wirtschaftsfaktor. Allein die Urproduktion sorgt für einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro in unseren beiden Landkreisen. Der Strukturwandel hat dazu beigetragen, dass die verbleibenden landwirtschaftlichen Familienbetriebe auch Entwicklungspotenziale hatten.
Wenn dieses Gesetzespaket so umgesetzt wird, wird dies zu einer Frust und Perspektivlosigkeit unter den Landwirten führen. Wir haben große Sorge, dass sich dadurch der Strukturwandel in einen Strukturbruch verändert. Dies wird Auswirkungen auf den gesamten ländlichen Raum hier in unserer Region haben.
Daher möchten wir mit diesem Schreiben noch einmal einen deutlichen Appell an Sie richten, im Interesse unserer landwirtschaftlichen Familienbetriebe, dieses Gesetzespaket nicht in der vorliegenden Form umzusetzen!